Honda SL350 K1

Noch'n Mopped...? Der Typ spinnt doch! In der Tat, es ist nicht zu
leugnen... Die Story beginnt bei einem der üblichen "Rundgänge",
dem allabendlichen Stöbern auf den diversen Auktionsplattformen.
An einem Abend im Februar 2022 sticht mir eine 1971er Honda
SL350 K1 ins Auge - für das Mopped hatte ich mich auch intere-
ssiert, bis ich mir die CL450 gekauft habe. Mmh - ein Schrotthaufen
zum Restaurieren mit diversen Fehlteilen, aber auch ein paar Dingen,
die positiv auffallen wie die offenbar noch brauchbare Auspuffanlage
und der Startpreis der Auktion ab 1 Dollar.

Wie funktioniert so ein Export aus den USA überhaupt und wie teuer
wird das? Nach etwas Herumstöbern im Web komme ich zu dem Schluß,
das man ja mal einen Versuchsballon in Form eines Gebots steigen
lassen könnte - wohl wissend, das die Dinger teuer gehandelt werden
und ich daher sowieso keinen Zuschlag bekomme. Ein paar Stunden
vor Ablauf der Auktion gebe ich ein Blindgebot ab und bin am
nächsten Morgen tatsächlich Besitzer einer SL350 geworden! Mit
922 Dollar (814 Euro) definitiv nicht zu teuer, aber jetzt fangen die
Probleme erst an: Kontaktaufnahme mit dem Besitzer (dessen E-Mail
Account nicht richtig funktioniert), Auffinden einer Frachtfirma, die
den Transport und die Abwicklung übernimmt und dann natürlich
die Restaurierung selbst. Ich will hier nicht zu sehr in die Details gehen,
aber die wichtigsten "Stationen" sind der Erwähnung wert:

4 Frachtfirmen angeschrieben, wovon 2 gleich aufgeben, da das
Motorrad keinen "title" (amerikanische Besitzurkunde) hat. Die
3. Firma gibt sich viel Mühe und schickt sogar eine Agentin zum
Vorbesitzer, um einen Kaufvertrag zu unterschreiben, ihn notariell
beglaubigen zu lassen und dann einen neuen title zu beantragen,
aber der Vorbesitzer ist nicht gerade kooperativ...
Letztlich gibt die Firma ebenfalls auf.
Nach etlichen E-Mails zwischen ihm und mir telefoniere ich schließlich
mit ihm, er möchte, dass das Fahrzeug möglichst rasch von seinem
Grund und Boden verschwindet - aus seiner Sicht verständlich, er
hatte sicherlich nicht mit einem Typen aus Übersee gerechnet,
sondern gehofft, es kommt am nächsten Tag einer mit dem Anhänger,
zahlt die Summe, lädt auf und verschwindet wieder. Aber dann
hätte er das Fahrzeug nicht international anbieten sollen! So, wie
mache ich das ohne Frachtfirma und von Deutschland aus? Er gibt
mir einen Tipp mit einer Firma, die "storage units" (Räume in
verschiedenen Größen zum Einlagern von allem möglichem Zeugs)
anbietet, aber die meldet sich auch nach mehreren E-Mails und
Telefonaten nicht. Ich mache eine andere Firma in der Nähe ausfindig
und kann tatsächlich mittels Kredikarte einen Raum anmieten. Der
Vorbesitzer (ein Profi oder Semi-Profi auf jeden Fall, der immer
wieder Moppeds aus Schuppen und Scheunen zieht und dann
verscherbelt), bringt das Mopped immerhin noch dahin, damit endet
seine Nachgiebigkeit allerdings. Ich habe gleich zum Abschluß der
Auktion die geforderte Anzahlung getätigt, den Rest möchte er
innerhalb von 2 Wochen haben. Leider hat er kein "PayPal", was
die Anweisung der Summe etwas schwierig macht. Ich schlage ihm
eine klassische Banküberweisung vor und leite das umgehend in die
Wege, aber entweder ist diese im Nirvana verschwunden oder
kommt erst in einem halben Jahr an - die Kohle ist futsch...
Schließlich reißt dem Verkäufer ein wenig der Geduldsfaden
und ich schlage ihm vor, die Restsumme nochmals anzuweisen,
diesmal über eine Geldtransferfirma (Name nenne ich hier nicht),
deren Geschäftgebaren mir allerdings nicht sehr zusagt - immerhin,
nun hat er sein Geld, das Mopped steht erstmal sicher.

Die 4. Frachtfirma ist sich sicher, dass das Mopped die Hürden
des Exports nimmt, holt es ab und bringt es nach Savannah an den
Hafen. Nach einigen Tagen des Zitterns und Bangens hat der
amerkanische Zoll zugestimmt, meine Honda ist auf dem Weg
über den großen Teich!

In der Zwischenzeit habe ich, wohl wissend, dass das Schicksal des
Fahrzeugs immer noch ziemlich ungewiß ist, reichlich Teile eingekauft
- erwähnte ich schon, dass ich nicht mehr alles Geschirr im Spind habe?
Am 17.06.22 ist es soweit: Ein Transporter öffnet seine Ladeluke
und darin steht - meine Neuerwerbung! Endlich! Freund Dieter ist
noch zum "Bewundern" an die Garage gekommen, dann schiebe ich
das Mopped auf die Hebebühne.

Wo liegen also die Probleme mit einem Fahrzeugimport aus den USA
und welche Kosten sind zu erwarten? Ziehen wir ein vorläufiges
Fazit der Angelegenheit:

Gerechnet habe ich für Transport und Zollgebühren mit etwa 1000-
1600 Euro, letztes Endes sind es allerdings gut 3440 Euro geworden.
Ein Fahrzeug ohne title durch den amerikanischen Zoll zu bringen,
ist für Privatleute recht schwierig, Händler scheinen keine Probleme
zu haben. Als Privatmensch läßt sich das nur so regeln: Je nach
Staat, in dem das Fahrzeug steht, kann ggf. über einen notariell
beglaubigten Kaufvertrag ein neuer title beantragt werden, die Kosten
sind i. d. R. überschaubar - in meinem Fall wären das etwa 30 Dollar
und 2 Wochen Wartezeit gewesen - wenn der Vorbesitzer mitgespielt
hätte... Alternativ gibt es in Amerika Firmen, die man mit der
Beantragung eines title beauftragen kann, aber auch die benötigen
einen beglaubigten Kaufvertrag.

Die vorübergehende Unterbringung des Fahrzeugs in einer "storage
unit" mit Vorauszahlung für einen Monat hat gut 130 Dollar gekostet.

Da einige Teile nicht mit dem Fahrzeug verbunden waren (sprich:
lose daneben lagen), konnte das Mopped nicht relativ günstig auf
einem offenen Transporter verzurrt und verschifft werden, sondern
musste in einer Kiste verstaut werden - teuer und aufwändig.

Damit bin ich bei rund 4500 Euro inkl. Kaufpreis gelandet, viel Lehrgeld!
Gelohnt hat sich das sicherlich nicht, obwohl man das bei einer
Restaurierung ohnehin nicht rechnen darf.

Und nun zum Objekt der Begierde selbst:

Es handelt sich um eine 1971er Honda SL350 K1, Tachostand
unbekannt, einige Fehlteile, einige Beulen, Oberflächenrost. Positiv
ist anzumerken, das die ultra-rare Auspuffanlage da ist und reparabel
aussieht - ich habe schon total zerpflückte, durchgerostete Endtöpfe
gesehen, die für 250 Dollar plus 150 Dollar Transport verkauft wurden.
Die Ersatzteilsituation ist angespannt, aber nicht hoffnungslos:
Die meisten Technikteile sind entweder neu oder gebraucht zu bekommen,
manche Sachen allerdings auch recht schwer oder gleich gar nicht.
Bei meiner Maschine fehlt der komplette rechte Luftfilter mit Gehäuse,
das vordere Schutzblech, beide Fußrasten (die SL ist ein Einsitzer),
der Schalthebel und Kleinzeugs, Der Motor dreht, ob er noch in Ordnung
ist oder komplett gestrippt werden muß, wird sich noch zeigen. Einige
Teile müssen neu verchromt werden wie der Lenker, der Kickstarter,
die Rücklichthalterung und die hintere Kotflügelbefestigung. Eine komplette
Lackierung ist fällig, auch am Rahmen. Der Tank hat ein paar Beulen,
eine davon dürfte nur mit Spachtelmasse zu kaschieren sein. Der rechte
Auspuff ist am Anschluß zum Krümmer durchgerostet, beide Töpfe
haben Beulen, aber nicht zu schlimm. Alle Züge, Wellen und auch der
Kabelbaum sind "durch", das gleiche gilt für die Felgen, Speichen und
Nippel. Mittlerweils stapeln sich Ersatzteile für etwa 2000 Euro im
Bastelkeller, das wird sicherlich noch mehr werden, auch davon
abhängig, was mit Motor und Getriebe los ist.

Meine Plan ist wie folgt: Versuchen, den Motor ans Laufen zu bekommen,
auf Kompression, mechanische Geräusche und die Schaltbarkeit des
Getriebes zu achten und dann das Fahrzeug zerlegen und Stück für
Stück wieder aufbauen. Ein Jahr wird dabei sicherlich draufgehen, es
wird viel Zeit, Nerven und Geld kosten, aber hoffentlich auch Spaß
machen, wenn das Fahrzeug dann irgendwann fertig vor mir steht.
Man wird sehen... So, das nächste Kapitel kann geschrieben werden!

Etwas vorgelegt habe ich schon: Es fehlten auch der komplette Kettenschutz
aus 2 Teilen, das Blechteil wurde gebraucht auktioniert, geschweißt und
verzinnt, das 2. Teil aus Kunststoff wurde geschliffen und poliert.
Am Abend habe ich noch alle erreichbaren Schrauben und Teile mit
WD40 eingesprüht, das soll erstmal einwirken. Im Motor schwappt
nur ein Minimum an Öl, die Zylinder sehen von Innen (mit dem Endoskop
angesehen) aber nicht schlecht aus.

Der Grund dafür, dass ich auf diesen Webseiten übrigens so lange zu
dem Thema geschwiegen habe, liegt darin, dass ich nicht wußte, ob
ich einen Erfolg oder Mißerfolg verbuchen kann - das wollte ich
unbedingt erst abwarten.

Geschweißt und verzinnt:
das Kettenschutzblech.
Der Kunststoff-Kettenschutz
wurde mit bis zu 5000er
Schleifpapier bearbeitet und
dann poliert - geht so...
Blinkerkonvolut, bereit
zum Aufarbeiten.

Von rechts... ...und von links. Auf der Hebebühne,
bereit für erste Taten.
Eine hässliche Beule... ...und eine zwar grosse, aber
hoffentliche weniger
hässliche Beule.
Durchgerostet: der rechte Topf.
Da fehlt so Einiges... ...ebenso auf der
linken Seite.
Womöglich noch die Uralt-
Originalbereifung...



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Letztes Update: 17.06.2022