Norwegen-Finnland 19.06. - 10.07.2015

Tag 5 (Oslo-Molde, ca. 530 km):

Es regnet - Was für eine Überraschung! Der überrascht MICH allerdings
des Öfteren - zum Glück nie so viel, das ich die Regensachen anziehen
muß. Es wird gebirgiger und deutlich kühler, je weiter ich nach Norden
komme. Die weiten und schnellen Kurven entschädigen für so manche
der insgesamt 533 km. An einer kleinen Einfahrt, die seit mindestens 20
Jahren keiner mehr benutzt hat, halte ich für ein paar Fotos und eine
Zigarette an - nur, um nach 2 Minuten angehupt zu werden, da ein Trans-
porter dort rein will... Kurz darauf höre ich vernehmlich auf Deutsch den
Ruf: "Einen Kaffee?" Da hat sich ein älterer Herr eine Ferienwohnung
gemietet, die von der Hauptstraße aus nicht zu sehen ist. Er ist mit seiner
Guzzi Mille GT (!) und seiner Frau im Auto unterwegs, ich unterhalte mich
eine halbe Stunde nett mit ihm, damit ist aber auch meine Zeitreserve
perdu... Trotzdem lasse ich mir den Trollstigen nicht entgehen, nach Oslo
zweifellos das 2. Highlight der Tour. Oben am Gipfel ist wg. dicken Nebels
und Regen nichts zu sehen, auf der An- und Abfahrt dafür umso mehr: kleine
Gletscherseen, Wasserfälle, ein beeindruckendes Gebirge und natürlich die
Spitzkehren des Trollstigens selbst. Ich hatte meine Ankunft in der privaten
Unterkunft für etwa 19:00 avisiert, das klappt jedoch nicht, da der einzige
Zufahrtstunnel nach Molde gesperrt ist. Ich rufe den Besitzer an, weil der
Umweg um den Fjord fast eine Stunde Zeit fressen wird. Meine BMW muß
dafür büßen: mit WARP 3 rase ich dem Tagesziel entgegen. Die Unter-
kunft ist nicht leicht zu finden, im Kundenbereich des Buchungsportals
war zudem zu lesen, dass der Eingang über eine Seitentreppe erfolgt - ich bin
also vorgewarnt! Unvorbereitet erwischt mich allerdings, das niemand da und
die Tür nicht verschlossen ist. Ich klopfe an, dann öffne ich und frage in den
Raum hinein, ob jemand da ist - keine Antwort... Watt nu? Die Dame aus
dem Erdgeschoss bietet ihre Hilfe und ruft den Besitzer an - ich solle einfach
reingehen, er käme in 10 Minuten. Na schön, rödeln wir das Gepäck ab und
tragen's rauf. Als aber auch nach einer Stunde noch niemand da ist, wird mir
die Warterei zu dumm und räume das (hoffentlich richtige) Zimmer ein. Immer
noch keiner da - wenn ich noch was zum Beissen haben will, wird's Zeit. Auf
dem Tisch liegt ein Schlüssel, der auf die Außentür passt, den nehme ich an
mich und dackele zu Fuß Richtung City. Äußerst skurril und ungewöhnlich,
das Ganze! Ein Hotel mit eigenem Restaurant bietet noch warme Mahlzeiten
an, daher nehme ich's, wie's kommt. Das einzige Gericht auf der Karte ohne
Fisch ist eindeutig mit meinem Namen versehen, es ist vorzüglich und teuer
(38 Euro). Ein paar Biere werden mir sicher helfen, den Tag zu verdauen.
Nach dem Abendessen sehe ich durch's Fenster zum Hafen hin einen tollen
Effekt: die sehr tief stehende, aber nicht sichtbare Sonne spiegelt sich in den
Wolken dergestalt, dass die Gegend aussieht, als stünde alles in Flammen,
als würde flüssige Lava die Berghänge herunter laufen - ein unglaublicher
Anblick!  Zum Abschluss zahle ich unglaubliche 68,55 Euro für das Abend-
essen und 3 Glas Bier. Als ich wieder zurück bin, ist der Besitzer der
Wohnung endlich da, ich unterhalte mich noch ein wenig mit ihm und
bekomme sogar noch einen kleinen Whiskey spendiert - Nett!

Lillehammer - die Sprungschanze Beeindruckende Aussicht Am Trollstigen
Naß, aber sehenswert Der Winter ist hier oben
noch nicht besiegt
Kurz vor dem Ziel Molde 
Fantastische Naturerscheinung... ...am Fjord! 

Tag 6 (Molde-Trondheim, ca. 350 km):

Ebenso unkonventionell wie zu Beginn meines Aufenthaltes geht es weiter: als ich
das Gepäck aufrödele, fährt mein Gastgeber mit dem Fahrrad zur Arbeit. Ich
solle doch die Tür offen und den Schlüssel auf dem Tisch liegen lassen - Na
denn... Heute habe ich etwas Zeit zum Genießen, außerdem sehe ich zu, die
Kosten ein wenig einzudämmen, daher hole ich mir in einem Supermarkt ein
trockenes Brötchen und einen Kakao zum Frühstück. Das Wetter hat sich noch
nicht entschieden: Starke Bewölkung, sonnige Abschnitte und 13 Grad. Die Piste
entlang des Atlantic Scenery Drive ist genial: Brücken wie von Salvadore Dali
entworfen, eine umwerfende Küsten- Kulisse und dazu sonniges Wetter. Daher
wird die Helmkamera angeworfen und anschließend noch mal umgedreht, um
zusätzlich Fotos zu schießen. Die Fähre von Somervag steht auch pünktlich bereit,
die weitere Strecke bis kurz vor Trondheim macht richtig Spaß mit ihren weiten
Kurven und immer wieder begeisternden Ausblicken. Das Hotel in Trondheim
ist schnell gefunden, mein Zimmer (bzw. alle Zimmer) ist recht spartanisch - kein
Wunder: Im Winter ist das Hotel ein Studentenwohnheim. Das Städtchen ist nett,
eine malerische Altstadt am Fluß, ein Dom, eine Fußgängerzone und Einkaufsmeile,
dazu ist wohl gerade eine Art Stadtfest im Gange: Händler bieten lokale und
exotische Spezialitäten an, Lederwaren, Naschzeugs, Haushaltsartikel und noch
viel mehr. Ein Stand hat selbstgemachte Paella, nicht teuer und sieht lecker aus
- Prima, da hätten wir auch gleich das Abendessen! Für den Nachttrunk finde ich
auch was Passendes: einen schottischen Pub... ;-) Bleibt trotzdem fest zu halten,
daß die Lebenshaltungskosten in Norwegen extrem hoch sind, Beispiel gefällig:
Ein Pint Braunes im Pub 11,40 Euro, ein Schokocroissant im Supermarkt 1,78
Euro...

 

Nice... Was für ein Ausblick! Auf dem "Atlantic
Scenery Drive"...
 
...lohnt sich der Fotostopp
auf jeden Fall
Die nächste Fähre öffnet
ihr gefräßiges Maul
Da ist schon länger nicht
mehr Rasen emäht worden 
   
Die Altstadt von Trondheim Rund um den Markt ist Volksfest 
   
Die Kathedrale macht was her Wieder einen Pub gefunden... 

Tag 7 (Trondheim-Kolvereid, ca. 300 km):

Der Tag fängt gut an, wird aber immer schlechter: in Trondheim ist's
trocken, die Bewölkung läßt allerdings nichts Gutes erahnen. Bald
regnet es, ich muß "Vollzeug" setzen... Ich fahre viel durch Waldgebiet,
es gibt außer ein paar Buchten zur Auflockerung nicht viel zu sehen.
Die letzte Fähre vor meinem Ziel kommt erst in 30 Minuten, Zeit für
einen Becher heiße Schokolade und einen Muffin in dem kleinen Markt
am Fährhafen - mir ist kalt und sämtliche Klamotten aufgeweicht.
Das Tagesziel Kolvereid ist nur wenige Kilometer vom Fährhafen
entfernt. Die Besitzerin des Hotels bemerkt nur trocken: "Oh my God,
you are so wet...", gibt mir eine alte Zeitung zum Ausstopfen meiner Stiefel
und einen Fön zum Trocknen der anderen Sachen. Normalerweise
sehe ich mir abends die Städtchen noch an, aber nicht unter diesen Wetter-
bedingungen. Abendessen, 1-2 Bier und dann ab in die Falle - morgen
wird ein langer Tag.

Einer der wenigen trockenen
Momente wird spontan zum
Fotoshooting genutzt
Ein kleiner Wasserfall 

Tag 8 (Kolvereid-Glomfjord, ca. 420 km):

Um halb 7 bin ich auf, packen, Frühstück und die Regensachen an. Nach
einer Stunde erreiche ich die erste Fähre, aus deren Fahrplan ich aber nicht
schlau werde - es heißt warten... Es beruhigt mich, daß ein ebenfalls wartender
Norweger auch nichts Sinnvolles aus dem Fahrplan der Fähre lesen kann.
Sieht so aus, als wenn mir die Fähre vor der Nase weggefahren ist, was be-
deutet: 1 1/2 Stunden Wartezeit - wenn das so weitergeht, klappt mein Zeitplan
nie! Schlecht abgestimmt, die Fährpläne: Obwohl ich recht flott gefahren bin,
habe ich die nächste Fähre nach Andalsvågen um 15 Minuten verpasst, was
bedeutet, wieder eine 3/4 Stunde warten. Die Fähre nach Tjotta ist noch
schlimmer: um 14:00 geht es erst weiter - wieder 1 1/2 Stunden weg. Hilft
nix, ich muß in meiner Unterkunft anrufen, daß es sehr spät wird. Ich unterhalte
mich noch mit einem Schweizer, der seit 6 Wochen (!) mit dem Fahrrad
unterwegs ist zum Nordkap. Er war die letzten Tage krank und hat deshalb
nicht viel vom Regen mitbekommen. Die Fähre hält 3 mal an kleinen Inseln
an, um 1 Auto, einige Fußgänger und Fahrradfahrer auf und von Bord zu
lassen. Fähre Nr. 4: die fast 100 km bis dahin ziehen sich, ein norwegischer
Handwerker vor mir auf der Piste gibt kräftig Gas - der weiß bestimmt was,
das ich nicht weiß, also hinterher! Und richtig, als einer der Letzten erwische
ich (zusammen mit dem Handwerker) die Fähre, die auch gleich ablegt. Endlich
mal etwas Glück! Fähre Nr. 5: 40 Minuten Wartezeit... Ich komme mit einem
Norweger ins Gespräch, der ausgezeichnet Deutsch spricht (mit Hamburger
Akzent!) - er war als Kind einige Jahre auf einer deutschen Schule. Er lebt auf
einer winzigen Insel mit seiner Familie, ist 200 Tage im Jahr unterwegs und
bewundert meine BMW. Die Fähre braucht eine gute Stunde, dann folgt nach
20 km Fähre Nummer 6. ich komme mit 2 Motorradfahrern aus Bayern ins
Gespräch, die mit 2 KTM Adventure ebenfalls auf dem Weg zum Nordkap
sind. Sie hatten ebenfalls 6 Fähren an diesem Tag, aber wohl mehr Glück mit
den Zeitplänen. Apropos Fähren: bei dieser letzten ist der einzige Kartenleser
defekt, daher ist die Überfahrt für alle frei! 34 km später, um 21:45 bin ich
endlich am Glomfjord und finde tatsächlich noch einen offenen Supermarkt,
dort hole ich mir etwas Knabberkram, da in dieser kleinen Stadt vermutlich
kein Restaurant mehr auf hat. Bier haben sie auch, dürfen es aber nur bis
20:00 verkaufen (?). Die Besitzerin des Hotels ist wirklich nett, das kleine
Appartement gefällt mir sehr. Rasch umziehen, der örtliche Pub hat
gerade erst aufgemacht. Ein Bier und eine Packung Erdnüsse später geht's
mir besser, ein ereignisreicher Tag war das! Und er ist noch nicht zu Ende:
mit einem der Betreiber des Pub quassele ich noch eine ganze Weile und
so wird's fast halb 3, bis ich in die Falle komme...

Die Wolken hängen tief Die Fähre hält an jedem
kleinen Inselchen an
Die Ausblicke entschädigen... 
...für die lange Wartezeit Eine weitere kunstvoll
geschwungene Brücke
Die Landschaft wird
immer karger 

Der Polarkreis ist erreicht! Einsame Hütten am Fjord
 

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TIPP:
- Die Fahrpläne der diversen Fähren sind nicht einfach zu finden im
   Internet, zudem nicht immer leicht verständlich - Einfach nehmen,
   wie's kommt...
- Je weiter im Norden umso dünner wird das Tankstellennetz, entweder
   jede Tanke ausnutzen oder ausreichend Reserve dabei haben.
- Auch Unterkünfte sind im Norden schwerer zu finden und leider auch
   teurer als im Süden.

Letztes Update: 14.07.2015