Norwegen-Finnland 19.06. - 10.07.2015

Tag 17 (Oulu-Jyväskylä, ca. 340 km):

Endlich, endlich scheint's einen richtigen Sonnentag zu geben: der Himmel
ist stahlblau, nur ein paar kleine Schönwetter- Wölkchen, die Wettervor-
hersage sieht gut aus. Die Tanke um die Ecke liefert einen Kakao und
eine Art Teilchen - das Frühstück ist gerettet. Angesichts des guten
Wetters an der Küste und der nicht allzu langen Strecke entschließe ich
mich, einen kleinen Umweg entlang der Küstenlinie zu fahren. Bis zum
Städtchen Raahe fahre ich, dann wird abgebogen. Es bewölkt sich im
Landesinneren zwar mehr, der Himmel bleibt aber blau, nur die Sonne
hat kaum Kraft, es bleibt kühl. Trotzdem schaffen es nur wenige Fotos
in die Kamera, die Landschaft ist einfach zu eintönig, lediglich ein paar Seen
laden zum kurzen Verweilen und Fotoshootings ein. Die Stadt Jyväskylä
enttäuscht mich ein wenig: kaum ältere Bausubstanz, eine relativ moderne
Architektur in der Einkaufszone, ein paar Parks and that's it. Die natürliche
Lage am See verstand man nicht zu nutzen, kein schmuckes Hafenviertel.
Zumindest die Frage der Bausubstanz klärt sich nach einem Blick auf eine
Infotafel: Jyväskylä ist um 1870 gegründet und damit schlicht nicht alt genug.
Mir fällt seit dem Grenzübertritt auf, daß bei jungen Finnen der "robuste"
Look offenbar schwer in ist: die Männer mit Glatze und Vollbart, die
Frauen mit teils schrill gefärbten Haaren, das Ganze im Gothic-New-Wave-
wasweißich-Look. Hunger? Aber sicher! Für ein komplettes Menü reicht
der Hunger nicht, daher probiere ich die finnische Variante der bekannten
amerikanischen Fast-Food- Kette aus. Fazit: auch keine Offenbarung,
geschmacklich kein Unterschied. Dagegen freue ich mich auf den
Besuch des englischen Pubs, den ich bei meinem Stadtrundgang in einer
mehr gemütlichen Straße entdeckt habe, dort bekomme ich auch ein
frisch gezapftes Kilkenny. Das Hotel hat sogar ein Raucherzimmer, wie
ich feststelle - nicht schlecht. So muß ich nicht nach draußen, wo es
zwar nicht wirklich dunkel ist, aber deutlich düsterer als in den Städten
zuvor - man merkt, daß es Richtung Süden geht.

Kirche in Raahe Ein See... ...und noch einer...
...und ein weiterer Aufgang zum "Hausberg"
in Jyväskylä
Interessante
Fassadengestaltung

Tag 18 (Jyväskylä-Helsinki, ca. 280 km):

Sehr schön, ein weiterer der ultra-raren Sonnentage, die Temperaturen
sind angenehm. Zuvor muß ich mir in Jyväskylä noch Zigaretten besorgen,
mein Vorrat ist aufgebraucht. Erneut muß ich Zeit abbummeln, was mir
angesichts der Kurven, der Landschaft und des Wetters nicht weiter
schwerfällt. Ich kann ein paar schöne Aufnahmen machen und lege einige
Fotostopps ein. Trotzdem modifiziere ich die Strecke, sonst bin ich zu früh
in Helsinki. Nach dem 2. Stopp habe ich einen PKW mit Anhänger hinter
mir, den ich kaum abschütteln kann, mit bis zu 120 braust er durch die
Kurven! Erst, als ich einen weiteren PKW mit Anhänger überholen kann,
entschwindet er aus meinem Rückspiegel. Richtung Helsinki sieht das
Wetter leider schlechter aus, alles Grau in Grau. Nach dem Abladen am
Hotel wird schnell geduscht und dann geht's in die City. Ein weiter Weg...
Für morgen muß ich mir entweder ein Busticket oder die "Helsinki" Card
holen, die auch den Zutritt zu diversen Museen beinhaltet, auf jeden Fall
brauche ich einen Schlachtplan - Helsinki ist einfach zu groß, das schaffe
ich nicht alles. Mein erster Eindruck: eine bunte Mixtur aus modernen
Glaspalästen, alten Bürgerhäusern und Gebäuden mit eindeutig osteuro-
päischem Einfluß. Beim Telefonat mit einem der Freunde daheim erspähe
ich auch gleich meine Lokalität für den Abend: ein italienisches Restaurant,
keine der üblichen Pizzerien oder gar Pizza-Burger-Kebab- Buden,
sondern ein richtiges Ristorante. Die Pasta des Tages ist ausgezeichnet und
nicht zu teuer (überhaupt sind in Finnland die Preise auf einem normalen
Niveau), das zahle ich gerne. Zu weit zum zurück laufen, ich leiste mir
den Luxus eines Taxis... Um die Ecke des Hotels findet sich auch noch
ein Pub für ein letztes Bier - ich bin der einzige Gast.

Entlang der Fjorde... ...gibt es viel zu sehen Die zahlreichen
Plätze in Helsinki...
...beindrucken durch die
Vielfalt der Architektur
Eine blonde Frau in High-Heels
auf einer schnellen Ducati... ;-)


Tag 19 (Helsinki Stadtrundgang)


Ich hole mir ein Tagesticket für die öffentlichen Vetkehrsmittel, damit geht
es per Tram bis zum weißen Dom. Der Wochenmarkt am Hafen bietet
vieles an: Touristentand, frische Früchte und Obst, Käse und Wurst in
diversen Ausprägungen, Rentierfelle und -Mützen sowie Lederwaren.
Dort kann ich auch ein neues Schlüsselmäppchen ergattern, meines ist vor
einer Woche gerissen. In einer schönen alten kleinen Kaufhalle am Hafen
lockt ein Frühstück, das ich gerne annehme. Auffällig: es sitzen viele Paare
dort, jeder sieht konzentriert nach unten - nein, nicht auf den Teller, sondern
auf's Smartphone. Nur ein einziger Gast liest Zeitung, der Rest daddelt.
Vermutlich unterhält man sich heutzutage nicht mehr, man schickt sich E-Mails
oder twittert... :-) Da das Wetter umzuschlagen droht, entscheide ich mich für
einen kurzen Sightseeing- Trip per Boot - ganz nett. Dann suche ich das
Viertel mit den Jugendstilhäusern auf, eine beeindruckende Architektur. Noch
viel eindrucksvoller ist die nebenan stehende orthodoxe Kirche, sowohl von
Außen als auch von Innen sehr prunkvoll gestaltet. Als nächstes steht die
Felsenkirche auf dem Programm, in der gerade ein Pianist stilvoll die Akustik
des Raumes untermalt. Das Café der Kaurismäki Brüder sehe ich mir nur im
Vorbeigehen an, nix Besonderes. Jetzt brauche ich langsam eine Pause: die
Füße schmerzen, der Rücken protestiert und der Magen knurrt... Ein Café
mit einer wahrlich schmackhaften Riesenauswahl an süßen Verführungen
zieht mich magisch an. Was nun? Für die Rückkehr zum Hotel oder das
Abendbrot (darf auch gerne 'ne Pizza sein) ist's noch zu früh. In meinem
Touri- Guide wird noch eine alte Festung erwähnt, die nach 1,6 km be-
schwerlichen Fußmarsches erreicht wird - jedenfalls der Punkt: Die Festung
gibt's nicht (mehr), nur noch der Ausblick ist da - es sei denn, mit der Festung
war der Ausblick auf das gegenüberliegende Inselchen gemeint, wo
tatsächlich noch alte Mauerreste zu sehen sind. Zu viel mehr habe ich keine
Lust, kein Wunder: laut Smartphone App habe ich bisher auch 16 km
erwandert und 29 Stockwerke erklommen. Und es stehen noch ein paar
Kilometer an: angesichts des schwierig zu lesenden Fahrplans erwische ich
die falsche Tram, muß aussteigen und den Rest zu Fuß zurücklegen,
damit ist nicht nur der Akku meines kleinen Navis fast am Ende, sondern
auch meiner... Ersteren kann ich über die Steckdose aufladen, den
anderen über ein paar Bier aus der Bar in der Nähe des Hotels. Für die
morgige Abreise zur Fähre muß ich noch etwas planen: ich möchte nicht
wieder den prall gefüllten Packsack über endlose, schmale Schiffsdecks
und -treppen schleifen, daher möchte ich das Gepäck so umorganisieren,
daß alle benötigten Sachen in den Tankrucksack passen. Nach 2 Bier in
der Bar und ein paar Runden Billard geht's mir wieder besser.

Der weiße Dom... ..ist eines der Wahrzeichen... ...von Helsinki...
...und auch der Innenraum
ist einen Besuch wert
Der Markt "Kauppatori" am
Hafen bietet reichlich Vielfalt
Blick über das Hafenbecken
Die älteste Kaufhalle
Helsinkis ist ein Kleinod
2 Eisbrecher Die orthodoxe Kirche
von der Hafenrundfahrt aus
Die Häuser aus der Jugend-
stilzeit prägen das Viertel
Imposante Anblicke... ...bietet dieser Stadtteil
Die orthodoxe Kirche ist
von Außen und...
...Innen eine Augenweide Die Decke der Felsenkirche
Außergewöhnliches Gebäude Leckerlis!

Tag 20 (Helsinki-Fähre Travemünde) 

Gegen 10:30 habe ich alles soweit fertig: Das Gepäck ist umsortiert, ein
Frühstück aus dem Supermarkt organisiert und das Mopped beladen.
Wohin nun? Noch mal in die City? Könnte Schwierigkeiten mit dem
Parken geben. Welche Städte sind denn in Reichweite? Turku ist mir
zu weit, das wird mir zu knapp, da ich gegen 14:30 am Fährterminal
sein will. Aber Porvoo ist nicht weit weg, über Nebenstraßen gelange
ich hin, sehe mich etwas um und fahre noch ein paar Kilometer an der
Küste entlang. Nach einem Stopp geht die Ladekontrollleuchte der
BMW nicht mehr an - das kann doch nicht wahr sein! Ich fahre auf die
Autobahn und lasse alles Licht aus, sogar in einem Tunnel. An der Fähre
wird alles zerlegt und kontrolliert: Regler, Diodenplatte, Lichtmaschine,
Kontrollleuchte - nix zu finden... Nach einer Stunde Sucherei und Teile-
ersatz ersetze ich kurzerhand den Limarotor und - die Lampe geht
wieder, die Batterie lädt! Die vor mir wartenden Moppedfahrer sind
zwar schon auf der Fähre, aber das ist mir jetzt egal, Hauptsache, das
Mopped tut wieder, was es soll. Da ich das letzte Motorrad bin, das
die Fähre betritt, hat die Crew etwas Probleme, einen Platz für mich zu
finden. Abladen, Mopped verzurren und Kabine suchen - Aha, da hat
sich schon jemand breit gemacht, wer, werde ich vermutlich erst heute
Nacht sehen. Das Abendessen an Bord scheint etwas überteuert, ein
Stück Kuchen und ein Bier tun's auch... Um 17:15 legt die Fähre ab,
damit liegt Finnland hinter mir. Beim Basteln am Fähranleger bin ich
bereits naß geworden, auf See regnet's sogar noch kräftiger, hoffentlich
bleibt die See halbwegs ruhig... Die drei anderen Kollegen mit den
Moppeds laufen mir mehrfach über den Weg, schließlich setzt man
sich zusammen, redet Benzin und trinkt Bier - viel Bier. Die gesellige
Altherrenrunde war nur eine Woche unterwegs, hat aber viel zu
erzählen, von anderen Gästen werde ich auch immer wieder auf
meine Bastelaktion am Fährterminal angesprochen, das dürften die
meisten mitbekommen haben. Späääät geht's in die Federn. Irgend-
wann kommt sogar noch ein dritter Passagier in die Kabine und klappt
das Bett über meinem aus. 

Auf einer kleinen Halbinsel, vermutlich Kurböle

Finnland entschwindet im Regendunst Reichlich naß an Bord
 

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TIPP:
- Helsinki lohnt definitiv einen Besuch: Lange Alleen mit Shopping- Malls,
   vielfältige Architektur, Hafenrundfahrten, Märkte und Museen locken
   die Besucher.
- Finnland ist deutlich günstiger als Norwegen, aber die Praxis des
   Bezahlens mittels Karte ist auch hier üblich.
- Es wird in der Regel recht vorsichtig gefahren, was auch daran liegt,
   daß Bußgelder nach der Höhe des Einkommens bemessen werden.

Letztes Update: 16.07.2015