Portugal - 18.05. - 12.06.2019

Tag 7 (Castro Urdiales-Santiago de Compostela, ca. 530 km):

Es regnet... Als ich das Motorrad aus der Garage hole, verwandelt sich der
leichte Nieselregen in einen kräftigen Landregen. Der hält zum Glück nicht
lange an, aber es gibt bis 80 km vor Santiago de Compostela immer wieder
Schauer. Einige Male gibt es schöne Ausblicke auf die Küste und Strände,
ich halte für ein paar Fotos an. Dann sichte ich einen Camper mit Bonner
Kennzeichen, man grüßt sich beim Vorbeifahren kurz und freut sich. 2x suche
ich abseits der Bahn eine ausgewiesene Tanke, einmal finde ich sie nicht, weil
die Hinweisschilder einfach aufhören, bei der 2. steht nur noch die Ruine einer
Tanke, erst beim 3. Versuch klappt es dann, hier ziehe ich dann auch die
Regenhose aus. An einem Kreisel steht klar und deutlich „Santiago“ ausge-
schildert, mein Navi sagt aber nachdrücklich „Bitte wenden“ - ich folge ihm
und lande auf einer stillgelegten Piste... Ein Camper aus Deutschland ist
ebenfalls seinem Navi gefolgt und hat mehr Mühe als ich mit dem Wenden.
Ich spreche ihn kurz an und wir müssen beide lachen. Mein Tagesziel ist nicht
so einfach zu finden, ich muß mich durchfragen. Es ist ein christliches Hospiz,
war aber mal eine Art Kloster - hübsches Ambiente, Zimmertüren wie Zellen,
dahinter aber geräumig, sauber und Platz. Ich darf das Mopped sogar über-
dacht und überwacht unterstellen. Die erste Anlaufstation nach der Dusche
ist eine kleine Enttäuschung: die schöne, kleine Kirche ist umzingelt von einem
Jahrmarkt, der an diesem Wochenende startet - das hübsche alte Gemäuer
kann sich gegen Wurfbuden, Fahrgeschäfte und laute Musik nicht durchsetzen.
In der Altstadt ist viel los, gleich zu Beginn stolpere ich über 2 Straßenmusiker-
innen, die mit Dudelsack und Tambourin ordentlich Laune machen, sogar zu
viel: ich fühle mich animiert, in 2 Souvenirläden gleich 2 T-Shirts, 1 CD mit
galizischer Musik und für Freund Dieter ein Präsent zu kaufen... ;-) Die
schnuckelige Altstadt mit ihren kleinen Gassen lädt zum Flanieren ein, ich finde
allerdings immer noch keine Tapas-Bar, aber zur Abwechslung tut‘s diesmal
auch eine höllisch scharfe „Chorizo“ Wurst sowie mit Öl und anderem ange-
machte Kartoffelstücke - sehr schmackhaft! Eine Bar, die Guinness serviert,
habe ich auch schon ausgemacht und einen Wegpunkt im Navi gesetzt. Die
Musik ist zu gut dort, ich muß noch ein paar Bier und einen Whiskey trinken:
man spielt AC/DC, Pink Floyd, Queen, Kiss etc. Ich darf sogar einen Musik-
wunsch äußern: Supermax: Love Machine! Er spielt zwar einen Remix, aber
auch der ist gut. Gegen 00:15 bin ich zurück...

Jetzt weiß ich endlich, in
welchem Land ich bin...
Schöne Aussichten. Meine Unterkunft - ein
ehemaliges Kloster.
Kirche und Kirmes - passt
nur optisch zusammen.
Schmucke Ansichten... ...in Santiago de
Compostela.
Immer wieder... ...locken Verführungen! Interessante Häuserfront.

Tag 8 (Santiago de Compostela-Porto, ca. 260 km):

Nach den obligatorischen Morgenzeremonien geht es heute mal nicht auf
die Autobahn: über einen wunderschönen Pass mit herrlichen Ausblicken
nähere ich mich Portugal. Ein paar mal geht es über Buckelpisten, einmal
sogar über eine Schotterpiste, wobei mich die Guzzi wissen lässt, dass das
nicht ihr Revier ist, die kurvige Teerpiste ist mehr ihres. Ich will die Helm-
kamera in Betrieb nehmen, aber ich finde die Fernbedienung nicht, schließ-
lich findet sie sich im Packsack, den ich dazu fast komplett auf der Straße
ausleere. Ein portugiesischer Landwirt sieht mich und schwätzt mich auf
portugiesisch an - ich verstehe kein Wort... Ich entnehme dem „Gespräch“
aber immerhin soviel, das er selbst mal Motorrad gefahren ist, dies aber seit
einem Augenproblem nicht mehr kann. Ich filme die sehr schöne Landschaft
und komme Porto näher, mich irritiert allerdings, das das Navi 70 km vor dem
Ziel behauptet, ich wäre in 5 Minuten bereits da - mich beschleicht ein
Verdacht: hat Portugal eine andere Zeitzone? Es hat! Ich muß Zeit abbummeln,
sonst kann ich nicht einchecken. An der Tankstelle, an der ich Pause mache,
kommt tatsächlich ein ganzer Club mit Velosolex vorbei geknattert - einen
erwische ich noch mit der Kamera. Mein Appartement findet sich zwar nicht
auf Anhieb, aber es findet sich. Schwierig, sehr schwierig ist die Kommunikation
mit meiner Gastgeberin, die nur telefonisch oder via E-Mail erreichbar ist und
kein Englisch kann, Französisch klappt auch nicht. Man schickt mir 14 (!)
E-Mails mit Erläuterungen und 6 SMS, dazu möge ich mich doch via Whats-
app melden - habe ich nicht... Schwierig ist auch die Suche nach der Garage,
es ist zwar eine Fernbedienung vorhanden, aber ich komme nach einer
halben Stunde Sucherei zum Schluß, das es keine Garage für mich gibt.
Genug gemeckert: Das Appartement ist gut und groß genug, kleine Küche
mit Kühlschrank, Waschmaschine usw. sind vorhanden, ein Supermarkt ist
direkt ums Eck. Daher gehe ich erst einkaufen (Frühstück, Bier, was man
eben so braucht...), dann duschen und dann werfe ich die Waschmaschine
an, da meine 1. Hose durch die „Chorizo“ Wurst gestern Fettflecken be-
kommen hat. Der Hinweg in die City ist leicht - es geht ständig bergab, daher
wird der Rückweg wohl anstrengend werden, evtl. nehme ich mir ein Taxi.
Ein paar Kleinigkeiten sehe ich mir an, dann geht‘s Richtung Abendbrot,
sonst wird‘s zu spät, aber ich habe ja noch morgen den ganzen Tag Zeit.
Ich habe mir einen „traditionellen Grillteller“ bestellt, bin gespannt, aus was
der besteht. Er besteht zwar aus einigen Sorten Fleisch, ist aber mit so viel
Käse überbacken, das er mehr Fäden zieht als eine Lasagne. Ich merke
mittlerweile deutlich die Anstrengungen der letzten Tage: seit Paris habe ich
keinen „freien“ Tag mehr gehabt und konnte nie ausschlafen. Der Taxifahrer
flitzt mit einem Affenzahn durch Porto, mit 5,70 plus Trinkgeld ist‘s mir so
recht, im Appartement wartet derweil ein gut gekühltes Radler auf mich!

Tolle Landschaften und Ausblicke...
   
...warten auf der Strecke... ...auf mich und... ...die Guzzi.
Erster Eindruck von Porto: Nicht schlecht!

Tag 9 (Porto Besichtigungstour):

Heute lasse ich mir Zeit, zuerst werden alle Geräte geladen (Fotokamera,
Videokamera, Helmkamera, Navi, GPS, Laptop, GPS Tracker), dann
frühstücke ich aus dem Inhalt des Kühlschranks, dann Duschen, dann fertig
machen für Porto. Ich möchte mit dem Bus in die City, an der Ecke ist eine
Haltestelle. Ich werde aus dem Fahrplan zwar nicht ganz schlau, aber nach
10 Minuten kommt ein Bus, sieht mich und - fährt vorbei... Vielleicht hätte
ich ein Haltesignal geben sollen, also doch auf Schusters Rappen los! Nach
40 Minuten habe ich die City erreicht und möchte gerne in die Buchhandlung
Livraria Lello mit der kuriosen Treppe, aber da steht eine Riesenschlange
Menschen und man braucht offenbar ein Ticket. Ich gehe Richtung Fluß,
kurzerhand wird eine „6-Brücken Bootstour“ gebucht. Porto ist größer, als ich
dachte! Die Häuser entlang des Ufers und die Altstadt machen was her, es
ist allerdings gut 30 Grad heiß, gut, das ich meine Schottlandmütze mitgenommen
habe, die ist zwar schwarz, schützt aber ein wenig vor der Hitze. Ich trabe
auch noch über eine Brücke auf die andere Seite, erstehe eine dringend
notwendige Flasche Wasser und sehe mir das Treiben auf der Straße und
dem Wasser an: dort sind z. B. ein paar Verrückte mit Jetski unterwegs und
knallen wie die Verrückten herum. Ich kriege ordentlich Farbe - wie immer
die Falsche... Viele Fotomotive warten in Porto auf die Touristen, sie werden
nicht enttäuscht. Am frühen Abend finde ich ein Café, das Radler anbietet - her
damit! Ein 2., kleines Radler läßt mich zweifeln, ob ich heute noch ein Abend-
essen brauche... Trotz der vorgerückten Stunde lasse ich mir die Buchhandlung
Lello & Irmão nicht entgehen, ein Ticket für 5 Euro kann ich mir noch leisten.
Der Besuch lohnt sich: die alte Buchhandlung hat ein beeindruckendes Ambiente
mit seinen Holzvertäfelungen, der bemalten Glasdecke und natürlich vor allem
der wunderschönen, geschwungenen Holztreppe in der Mitte - einmalig...
Dementsprechend groß ist der Andrang, auch am Sonntagabend kurz vor
Schluss. Eine CD mit moderner Fado Musik rundet den Besuch ab. Ich suche
mir doch noch was zum Futtern direkt am Rio Duoro, danach werde ich aber
zügig den Rückweg via Taxi antreten. Für morgen muß ich mir auch noch was
einfallen lassen: die Route ist über 500 km lang und führt auf kleineren Strassen
zum Ziel Coimbra, was mehr als 9 Stunden Fahrzeit bedeuten würde - da ist
wohl kürzen angesagt. Ich bekomme zum Abendbrot eine Art Beef mit Ei,
dazu leicht anfrittierte Kartoffelscheiben, nicht übel, hätte nur ein wenig Salz
vertragen können. 2 japanische Touristen am Nachbartisch bestellen sich so
etwas wie einen Schaschlickspieß, der am Tisch angezündet und fertig
„flambiert“ wird - alle Gäste drehen sich danach um. Noch ein Fotos von der
City, dann geht‘s zu Fuß zum Taxistand, das letzte verfügbare Fahrzeug ist
meins, ein Pärchen 1 Minute später hat Pech... Zurück in der Unterkunft wird
schon mal gepackt, was zu packen ist.

Stilvolle Fassade. Typisch portugiesiche
Häuser mit den "Azulejos"
(blaue Kacheln).
Igreja dos
Carmelitas Descalços
Die bunten Häuser
versprühen Flair.
Ausblick über Porto. Historische Tram -
immer noch in Betrieb.
Von der anderen
Uferseite aus.
Noch ein Ausblick auf
Stadt und Rio Douro.
Livraria Lello & Irmão,
nicht verpassen!
Prachtvolles Deckenglas. Wunderschöne Schnitzereien
an der Treppe.
Passt perfekt zusammen.


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TIPP:
- Santiago de Compostela hat auch abseits des Jakobswegs einige Highlights
   zu bieten, obwohl der spezielle Reiz eines Hafenstädtchens etwas fehlt.
- Porto ist ein Highlight, das man sich nicht entgehen lassen sollte. Kleine
   Gassen, steile Straßen, bunte Häuser, der Fluss, die Brücken - malerisch.
- Der Verkehr in Portugal ist ähnlich entspannt wie in Spanien und Frankreich,
   gehupt wird selten, man hüte sich nur vor Taxifahrern... ;-)

Letztes Update: 20.06.2019